Gastbeitrag aus der Frankfurter Rundschau vom 7. November 2023

Die Utopie des grünen Fliegens

Stand: 06.11.2023, 16:58 Uhr

Gegen den Strom: Lufthansa will den innerdeutschen Luftverkehr wieder attraktiv machen. © IMAGO/IPA Photo

Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Flugverkehr reduziert und auf Kurzstrecken verzichtet werden. Auf neue Technologien zu setzen, ist eine Illusion. Ein Gastbeitrag von Ursula Fechter.

Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen. Die Verbrennung von fossilem Kerosin, das im Gegensatz zu Benzin, Diesel und Elektro-Energie nicht besteuert wird, erzeugt zum einen Kohlendioxid. Zum anderen werden beim Fliegen weitere Substanzen freigesetzt, wie Stickoxide und Kondensstreifen, die den Treibhauseffekt verstärken.

Mit all diesen Effekten trägt die Luftfahrt bis zu acht Prozent zum Klimawandel bei. Hierbei schwanken die Berechnungen. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft räumt immerhin selbst fünf Prozent ein. Ob wir uns mit dem Flugzeug oder zum Beispiel mit der Bahn fortbewegen, ist zwar unsere persönliche Entscheidung. Aber die Rahmenbedingungen hin zu einem klimaverantwortlichen Verhalten werden von der Politik festgelegt. 2015 wurde das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, in dem die Vertragsstaaten sich dem Hauptziel verpflichten, die globale Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, idealerweise auf 1,5 Grad. Um dieses Ziel zu erreichen, muss jede Einsparmöglichkeit genutzt werden. Unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Klimaschädlichkeit des Luftverkehrs wäre es sinnvoll, die Anzahl der Flüge zu verringern.

Viele Versprechen

Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Abgesehen von der Corona-Krise geht man von einer stetig gewachsenen Entwicklung des weltweiten Passagierflugverkehrs von jährlich um 3,0 Prozent aus. Die Statistik der International Air Transport Association weist für die Vor-Corona-Zeit im Jahr 2020 insgesamt 40,3 Millionen weltweite Flüge aus. Dieser Wert soll 2023 wieder erreicht werden. Bei der prognostizieren Steigerung käme man im Jahr 2045, in dem man laut EU vollständig klimaneutral sein will, auf 79,5 Millionen Flüge, d.h. eine Verdopplung. Laut einem Bericht der Hessischen Landesregierung aus dem Jahr 2019 produzierte der internationale Luftverkehr am Flughafen Frankfurt 14 Millionen Tonnen Kohlendioxid und damit mehr als der gesamte Straßenverkehr in Hessen.

Diese Entwicklung wird inzwischen auch offen kritisiert und zwingt die bestens mit politischen Institutionen und Regierungen vernetzte Flugindustrie zu einer Reaktion, indem sie auf eine Vielzahl von geplanten technologischen Vorkehrungen verweist. Bei näherem Hinsehen erweisen sie sich jedoch als unrealistisch. Etwa die Entwicklung neuer Antriebskonzepte. Im Fokus stehen hier vor allem Biokraftstoffe, E-Fuels/Power-to-Liquid, elektrisches Fliegen sowie grüner Wasserstoff, der entweder mithilfe von Brennstoffzellen verstromt oder in Gasturbinen verbrannt werden kann. Auch innovative Konstruktionsformen werden erprobt, die hohe Effizienzgewinne versprechen.

Flugzeuge mit Haifischhaut

Insgesamt muss man aber feststellen, dass die Versprechungen vom sogenannten Grünen Fliegen eine Illusion sind. Der Ersatz etwa von Kerosin mit Agrartreibstoffen benötigt eine Biomasse, die nicht verfügbar ist, Elektrifizierung von Flugzeugen braucht neue leichte Energiespeicher, und der Einsatz von Supraleitern für den Antrieb von Flugzeugen ist eine Utopie. E-Fuels, strombasierte synthetische Kraftstoffe würden einen immensen Stromverbrauch benötigen und werden noch nirgends in industriellem Maßstab produziert. Selbst das gesetzlich festgelegte Ziel der Bundesregierung dass bis 2026 wenigstens 0,5 Prozent des ge-tankten Kerosins synthetisch hergestellt werden muss, ist offenbar laut der Luftverkehrsindustrie (aireg) nicht zu schaffen.

Flugzeuge mit Haifischhaut, die Robert Habeck so begeistert haben, das alles wird es in näherer Zukunft nicht geben. Davon abgesehen haben Flugzeuge eine Einsatzzeit von mindestens 25 Jahren, das heißt die aktuellen Flugzeuge bleiben bis in die 2060er im Einsatz. Wir haben aber keine 25 Jahre Zeit, sondern müssen sofort handeln

Bürgerinitiativen und Umweltverbände fordern zu Recht einen Wegfall von Kurzstreckenflügen. Dass dies bei gutem Willen politisch durchsetzbar ist, zeigt das Beispiel Frankreich, das Ultrakurzstrecken mit einer Zugverbindung mit dem schnellen TGV von weniger als zweieinhalb Stunden gestrichen hat. Indessen kündigt in Deutschland die Lufthansa absurderweise die Gründung einer neuen Kurzstrecken Airline zu niedrigen Kosten an. Insgesamt muss es eine Reduzierung der Flugbewegungen geben. Entsprechend fordert die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) mit ihrer Aktion „minus 20 Prozent bis 2030“ eine Reduzierung der Flugzeugslots an den Flughäfen um jährlich 3 Prozent.

Gefährlich und macht krank

Eine Regelung zur Reduktion der derzeit verfügbaren Flughafen-Slots ist verfassungsrechtlich möglich. Dies zeigt ein juristisches Gutachten des BVF. Erforderlich wäre eine Regelung durch den nationalen Gesetzgeber, die bei den Planfeststellungsbeschlüssen beziehungsweise Betriebsgenehmigungen für Flughäfen ansetzt und in diesen umgesetzt werden müsste. Hier bietet sich die konkrete Möglichkeit für die Politik, die Rahmenbedingungen für das Mobilitätsverhalten zu ändern.

Mit dem Fliegen schädigen man aber nicht nur die Umwelt und damit indirekt auch die Menschen, sondern auch ganz direkt über den Einfluss der Feinstäube und Ultrafeinstäube, die durch den Betrieb der Flugzeugtriebwerke erzeugt werden. Für diese Ultrafeinstäube gibt es leider noch immer keine Grenzwerte, obwohl sie hoch gesundheitsgefährlich sind. Ultrafeine Partikel (Partikel kleiner als 100 Nanometer) dringen bis in tiefe Zellebenen der Lunge und das Blut, können in das Lymphsystem gelangen und sogar die Blut-Hirnschranke überwinden. Das ist gefährlich und macht krank. Schon alleine das wäre Grund genug, die Anzahl der Flugbewegungen zu reduzieren.

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