Rede von Pfarrerin Alves-Christe findet auch im Landtag Beachtung

linken121ccwLandebahn stilllegen! Rede zum Fluglärm von Janine Wissler

20.3.2013

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

CDU und FDP bringen einen Antrag zum Thema Fluglärm in den Landtag ein – aber nicht etwa, weil die Situation für die betroffenen Anwohner unerträglich ist oder weil sie als Regierungsparteien endlich einmal handeln wollten, nein: Sie thematisieren den Fluglärm hier nur, weil sich die SPD beim Nachtflugverbot innerparteilich nicht einig ist.

Deshalb will ich hier als erstes einmal über die Situation der Betroffenen sprechen; denn deren Problem ist – mit Verlaub – nicht, dass vier Oberbürgermeister der SPD Herrn Schäfer-Gümbel auf der Nase herumtanzen, wie Sie es genannt haben, sondern deren Problem ist, dass Fraport der ganzen Region auf der Nase herumtanzt.

Ich war gerade vor zwei Wochen zu Gast in Flörsheim und habe einige Anwohner zu Hause besucht. Die Menschen machen sich völlig zu Recht Sorgen um ihre Gesundheit und die ihrer Kinder. Sie können ihre Fenster nicht mehr öffnen, die Gärten nicht mehr nutzen. Sie werden morgens um fünf aus dem Schlaf gerissen, manchmal aber auch mitten in der Nacht, wenn das Nachtflugverbot wieder einmal gebrochen wird.

Auf dem Friedhof in Flörsheim müssen bei Ostwind Beerdigungen und Trauerfeiern unterbrochen werden, weil man kein Wort mehr verstehen kann. Mir haben Menschen erzählt, dass sie ihr Leben mittlerweile nach dem Wind planen, dass Gartenpartys oder Grillfeste abgesagt werden müssen, wenn Ostwind weht. Diese Menschen wollen doch keine Wegzugsprämien, sie wollen ihr Leben zurück.

Deshalb fordere ich jeden, der den Flughafenausbau heute noch verteidigt, dazu auf, seine diesjährigen Sommerferien in der Einflugschneise zu verbringen und sich selbst einmal dem Lärm auszusetzen, den man anderen zumutet.

Meine Mutter hat mir immer gesagt: Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.

(Zuruf von der CDU: Eine kluge Frau!)

Es geht dabei nicht nur um Lärm und Schadstoffe, sondern auch um die Gefahr beispielsweise der Wirbelschleppen. Immer wieder verursacht der Luftstrom der Wirbelschleppe Schäden an den Dächern innerhalb der Einflugschneise. Nach Angaben von Fraport passiert das fünf bis fünfzehn Mal im Jahr.

Erst vor kurzem wurden innerhalb einer Woche drei Dächer in Flörsheim durch Wirbelschleppen beschädigt, Dachziegel wurden in Vorgärten geschleudert. Die Menschen haben mittlerweile Angst, ihre Kinder überhaupt im Freien spielen zu lassen.

Das Problem ist, dass sich niemand dafür zuständig fühlt. Oftmals kann man gar nicht nachvollziehen, welche Fluggesellschaft für die Beschädigungen eigentlich verantwortlich ist. Was sagt das Verkehrsministerium dazu? Ein Sprecher teilte auf Anfrage mit, es handle sich hier um Einzelfälle. Wirbelschleppenschäden würden nicht statistisch erfasst oder ausgewertet. Aber sollten die Fälle eine andere Dimension annehmen, so – Zitat – „will ich nicht ausschließen, dass man tätig werden muss“, erklärt der Sprecher des Verkehrsministeriums. – Was soll das denn heißen, Herr Minister, dass die Fälle eine andere Dimension annehmen? Muss erst ein Kind von einem Dachziegel erschlagen werden, bevor das Ministerium an dieser Stelle tätig wird?

Ständig wird in diesem Haus von Sicherheit gefaselt, aber die Luftverkehrswirtschaft genießt offensichtlich Narrenfreiheit in diesem Land. Das Recht der Flughafenanwohner wird durch den Bruch des Nachtflugverbots permanent verletzt. Allein in der letzten Woche gab es in einer Nacht 33 Ausnahmegenehmigungen. Herr Minister, das Ministerium ist dafür zuständig, das Nachtflugverbot einzuhalten. Sie sind doch kein verlängerter Arm der Fraport und Sie können doch nicht zulassen, dass die Nachtruhe permanent gebrochen wird.

Bei allem Verständnis für gestrandete Passagiere: Die Menschen in der Region müssen morgens auch zur Arbeit, in die Schule und ausgeruht sein. Sie haben ohnehin nur sechs Stunden Ruhe. Deswegen kann es nicht sein, dass wenn die Flugpläne durcheinander geraten – ob wegen der Witterung oder aufgrund der Unfähigkeit der Fluggesellschaft –, die Anwohner dies ausbaden müssen, Herr Minister. Es kann doch nicht wahr sein, dass die Luftverkehrswirtschaft über dem Gesetz steht.

Nun haben vier Oberbürgermeister der SPD gefordert, das Nachtflugverbot auszuweiten. Und das verkünden sie eine Woche nach dem Parteitag der hessischen SPD, bei dem alle Anträge für ein verlängertes Nachtflugverbot abgelehnt wurden. Ich persönlich finde, die Initiative wäre glaubwürdiger gewesen, hätte man sie vor oder auf dem Parteitag gestartet

und vielleicht versucht, die innerparteiliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Aber gut, die Herren Oberbürgermeister haben es anders entschieden und Herr Schäfer-Gümbel hat klargestellt, dass die Oberbürgermeister nicht für die SPD sprechen würden. Mehr als sechs Stunden Nachtruhe gibt es mit der SPD nicht.

Etwas merkwürdig fand ich den Hinweis, dass die Oberbürgermeister die Interessen der Region vertreten würden, weil ich mich schon frage, welche Interessen dann die Landes-SPD vertritt. Wessen Interessen vertreten Sie, wenn die Oberbürgermeister die Regionen vertreten?

Im Verwaltungsverfahrensgesetz ist festgelegt, dass Planfeststellungsbeschlüsse auch rückgängig gemacht werden können. Deswegen sagen wir: Wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein juristischer Weg. Wir brauchen eine Reduzierung der Flugbewegungen, ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und ja, diese Landebahn muss stillgelegt werden, weil alles andere überhaupt nicht tragbar ist.

Ich komme zum Schluss. Bei einer der letzten Montagsdemonstrationen hat eine Pfarrerin aus Sachsenhausen, Frau Alves-Christe, gesprochen. Sie sagte:

„Sie alle wissen, wie viele Lügen, gefälschte Statistiken, Gefälligkeitsgutachten, geschönte Berechnungen, gebrochene Versprechen und falsche Versprechungen diese Landebahn überhaupt erst möglich gemacht haben. …“

„Eine Fehlentscheidung wird nicht dadurch richtig, dass sie teuer war.“

Ich finde, sie hat vollkommen recht. Die Versprechungen sind nicht eingetreten. Es gibt keine 100.000 Arbeitsplätze. Deshalb werden wir als LINKE die Proteste weiterhin unterstützen, und wir wünschen den Flughafen-BIs viel Ausdauer und Durchhaltevermögen, um diesen Irrsinn endlich zu beenden.

 

10 Gedanken zu „Rede von Pfarrerin Alves-Christe findet auch im Landtag Beachtung

  1. Wäre mir doch die Partei „Die Linke“ so sympatisch wie Frau Wissler, dann gäbe es gar keinen Zweifel wen wir zu wählen hätten. Keine andere Partei unterstützt unser Anliegen so klar und ohne Vorbehalte. Wir sehen ja Frau Wissler auch fast jeden Montag im Terminal, zusammen mit Herrn Kaufmann von den Grünen. Auch Herr Kaufmann scheint ein Problem mit seiner Partei zu haben. Frau Wissler und Herr Kaufmann wissen also wie der Stein im Schuh drückt. Alle anderen Pareien sind doch ohne Ausnahme reine Opportunisten mit dem Kalkül: „Wenn wir uns für die Flughafenausbaugegner engagieren, dann gewinnen wir weniger Stimmen als wir auf der anderen Seite verlieren.“ Wir können uns nur wünschen, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Wir müssen Argumente finden die es diesen Mathematikern unter den Politikern deutlich machen, dass Wahlen zu gewinnen sind auch dann wenn man sein Fähnchen nicht immer nach dem Wind der FRAPORT hängt.

  2. Frau Wissler bringt es auf den Punkt. Einfach nur Klasse wie diese Frau den Lügnern und Demagogen der hessischen Landesregierung und den Heuchlern von der SPD den Spiegel der Tatsachen vors Gesicht hält. Leider werden die Lakaien der Luftfahrtindustrie Bouffier und Rentsch sich davon kaum beeindrucken lassen. Deshalb müssen wir Wähler diese Politiker, die an die Stelle der Demokratie eine Parteiendiktatur gestellt haben, zur nächsten Wahl in die Wüste schicken. Wenn wir von Fluglärm und Dreck gequälten Menschen auch weiterhin zusammen halten, werden wir erfolgreich sein.

  3. Nun ist es wirklich so, dass das Thema Fluglärm die Wahlen sehr beeinflussen wird. Hätte es keinen Widerstand gegeben, die würden mit uns machen was sie wollen. Ein großes Dankeschön an Frau Wissler die als EINZIGE!!!!! immer mit ihrer Energie und klaren Worten bei uns ist, von Anfang an, ohne wenn und aber! Die Chancen für „DIE LINKE“ am 22.9.13 stehen bestimmt gut.
    …. Wenn’s den ersten Schwerverletzten oder Toten durch herumfliegende Dachziegel gegeben hat, wird es auch seitens Fraport eine Statistik geben….. Auf zynische Antworten des Sprechers vom Verkehrsministerium kann man nur zynisch antworten. Fraport’s Jobmotor schafft bekanntlich Arbeitsplätze. Wann wird Fraport Richtfest des eigenen Beerdigungsinstituts feiern?
    Die Wirbelschleppen auf dem Main geben ebenfalls einen sehr großen Grund zur Sorge. Erfahrene Ruderer wurden vor wenigen Tagen beim Training auf dem Main eiskalt von Wirbelschleppen erwischt. Elende Hilflosigkeit hätten Anfänger zu spüren bekommen. Das ist mutwillige Personengefährdung aus der Luft. Der Horror!

  4. Meine Familie und ich waren schon immer Grüne-Stammwähler. Wir werden jetzt das erste Mal die Linken wählen. Es muß einfach mal ein Zeichen für die „etablierten“ und selbstherrlichen Parteien in Wiesbaden geben. Wir wollen nicht wegen einem profitgeilen und menschenverachtendem Unternehmen unser Heimat verlieren. Der Kampf geht weiter. Darauf können sich die Politiker in Wiesbaden und die Fraport ganz gewiss verlassen. Wir geben NIEMALS auf !!!

  5. Die Rede von Frau Wissler haben wir uns 100 mal angehört und es hat uns gut getan, dass endlich jemand für uns kämpft und den Mut hat die Tatsachen offen und unbeirrbar auszusprechen! Vielen Dank dafür…auch vom Rest der (Groß)-Familie

  6. Bravo Frau Wissler!

    Weitgehend unbeachtet von der westdeutschen Bevölkerung war ein 17 Jahre andauernder Kampf der BI’s in Brandenburg und Mecklenburg gegen die Wiedereinrichtung von Europas größtem Bombenabwurfplatz ( das sogenannte BOMBODROM ) für die Bundeswehr und die NATO.

    25 Gerichturteile wurden gegen die Bundeswehr entschieden.

    Der unglaubliche Widerstand der Bevölkerung und das Engagement der Partei DIE LINKE , trugen maßgeblich dazu bei, dieses unsinnige Projekt fallen zu lassen.

    Lange Zeit war es diese Partei, die als einzige uneingeschränkt, konsequent und hartnäckig an der Seite der BI’s gekämpft hat, sie brachte das Thema als „aktuelle Stunde“ in den Bundestag.

    Einzelne Politiker der anderen Parteien kamen später vor Wahlen (!) unterstützend dazu.

  7. Es git keine Alternative. Den anderen Parteien muß bei der Landtagswahl die rote Karte gezeigt werden.
    Packen wir’s an.
    Ja zu Bouffier’s Abstieg!

  8. Wir sind nur relativ wenige Wähler im Vergleich zu den Nichtbetroffenen im Lande Hessen. Wenn wir die Wahlen in unserem Sinne beeinflusse wollen, dann müssen wir bald eine Empfehlung aussprechen. Das ist für die BIs zwar starken Tobak, aber es geht nun mal um Macht und da ist die Gegenseite auch nicht zimperlich.
    Alternativen:
    CDU + FDP bekommen Mehrheit: gute Nacht !
    SPD + Grüne bekommen Mehrheit: dann müssen die Grünen so stark wie irgendmöglich sein, um den Ausbaugegnern bei der SPD Gewicht zu geben. Die Linke ist dann in der Oposition.
    SPD + Grüne + Die Linke bekommen Mehrheit: tolle Sache, denn Die Linke kann da eigentlich nur mitmachen, wenn ihre harten Forderungen aufgenommen werden. ABER: Gefahr ! Wenn in diesem Fall die SPD mit Die Linken nicht zusammen gehen will, dann bekommen wir eine große Koalition SPD + CDU. Und da wird die SPD in Sachen Flughafen einknicken.
    Die Linke auf 10% zu bringen hat also seine charmanten Seiten, aber auch das Risiko eine Große Koalition auszulösen. Die konservativere Alternative ist für einen hohen Anteil der Grünen zu sorgen.
    Wann diskutieren wir das? Ich und viele Andere möchten wissen wo wir am 22.09 unser Kreutzchen für die Zweitstimme machen müssen damit unsere Sache gewinnt.
    Ist da etwas dran oder liege ich voll daneben?

    • Gute Analyse. Eine Rot-Grüne Koalition mit einem erheblichen Anteil an Grün kann am ehesten etwas bewirken. Rot Rot Grün wäre noch besser, ist aber möglicherweise von der SPD nicht gewollt.

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